Finanzen
Sachverständigenrat: Deutscher Wirtschaft droht Überhitzung
GDN -
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung warnt vor einer Überhitzung der deutschen Wirtschaft. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Überauslastung", heißt es in dem diesjährigen Sachverständigenrats-Gutachten, das am Mittwoch vorgestellt wird und über das das "Handelsblatt" (Mittwoch) vorab berichtet.
So rechnen die fünf Wirtschaftsweisen für dieses Jahr mit einem Wachstum von 2,0 und für das nächste Jahr von 2,2 Prozent. Die Wirtschaft komme damit allmählich in eine "Boomphase", heißt es in dem Gutachten. Inzwischen gebe es "deutliche Anzeichen für eine Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten". Die Wirtschaftsweisen gehen deshalb davon aus, dass die Quartalswachstumsraten "wieder etwas zurückgehen". In ihrer 463 Seiten starken Analyse mit dem Titel "Für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik" gehen die Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der großen Koalition hart ins Gericht. "Gerade jetzt sollte die Zukunftsorientierung im Mittelpunkt stehen und nicht, wie in den vergangenen Jahren, der Verteilungsdiskurs", schreiben die Ökonomen. Die gute konjunkturelle Lage biete "die Chance für eine Neujustierung der Wirtschaftspolitik". Angesichts der demografischen Entwicklung sollte die Konsolidierung der Haushalte "hohe Priorität" haben. Zudem dürfte die gute Finanzlage "nicht von Dauer sein". So dürften den öffentlichen Haushalten infolge von Zinserhöhungen mittelfristig steigende Belastungen drohen. Der Sachverständigenrat plädiert dennoch für Steuer- und Abgabenentlastungen. So sollte den Bürgern mit einer Reform der Einkommensteuer Mehreinnahmen aus der kalten Progression zurückgegeben werden. Dies müsse mit einer "allmählichen Abschaffung des Solidaritätszuschlags abgestimmt werden, sodass der finanzpolitische Spielraum nicht überschritten wird". Außerdem sollte der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von heute drei auf 2,5 Prozent gesenkt werden. Höhere Steuern auf Kapitalerträge und Vermögen lehnen die Wirtschaftsweisen ab und fordern stattdessen, Unternehmen durch eine steuerliche Gleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital zu entlasten. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger gab zu vielen dieser Punkte ein Minderheitsvotum ab. Um die Herausforderungen des digitalen Wandels zu bewältigen, sollten digitale Netze durch private Investitionen ausgebaut werden, fordern die fünf Wirtschaftsweisen. Außerdem spricht sich der Sachverständigenrat für die Einrichtung einer "Digitalisierungskommission" aus, um innovationshemmende Regulierungen auf den Prüfstand zu stellen und Reformbedarf zu identifizieren. Trotz der Kritik an der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre ist der Ausblick der Wirtschaftsweisen auch mittelfristig positiv. So rechnen die Ökonomen mit einem Rückgang der strukturellen Erwerbslosenquote von derzeit 4,3 auf bis zu 3,5 Prozent im Jahr 2022. Zugleich erhöht sich die strukturelle Erwerbsquote von 73,1 auf 74,4 Prozent. Insbesondere unter Flüchtlingen werde die strukturelle Erwerbsquote stark steigen, von heute 49,7 auf 71,4 Prozent im Jahr 2022.
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